Ich bin kein Kamerasammler, aber ich habe ein Herz für Exoten. Irgendwann stolperte ich durch Zufall über eine alte Edixa-Mat-Reflex C-L - eine deutsche Spiegelreflexkamera aus den frühen 60er Jahren. Die Edixas arbeiten mit einem Tuch-Schlitzverschluß, was sie von vielen SLRs der damaligen Zeit unterscheidet, die meist mit einem Zentralverschluß ausgestattet waren. Mich faszinierte an der alten Edixa vor allem das Wechselsuchersystem, was es erlaubte mit einem Lichtschachtsucher zu arbeiten. Der M42-Objektivanschluß ermöglichte mir, viele Objektive mit diesem Gewinde einzusetzen, die ich ohnehin schon hatte.
Die Kamera ist ein solider Brocken mit einem recht klotzigen Design. Sie ist vollmechanisch und mein Modell verfügt sogar über einen Selen-Belichtungsmesser, der tatsächlich funktioniert. Trotzdem brachte mein erster Testfilm mit der Kamera enttäuschende Ergebnisse.
Drei typische Fehlerbilder
Zunächst fiel mir auf, das die langen Verschlußzeiten, die bei der Edixa über ein extra zu bedienendes Werk eingestellt werden, nicht funktionierten. Die kurzen Zeiten liefen von 1/100 bis 1/30 - aber alle langen Zeiten hingen fest. Diesen Fehler hatte ich zunächst ignoriert - wer braucht schon lange Zeiten? Aber auch die Testnegatíve mit den kurzen Verschlußzeiten waren unbrauchbar: man konnte deutlich sehen, das die Bilder ungleichmäßig belichtet waren, der Verschluß lief nicht mit konstanter Geschwindigkeit ab.
Um meinen Testfilm zu belichten, war ich mit der Kamera bei Minusgraden draußen unterwegs und nachem die Edixa etwa 30 Minuten durchgekühlt war, streikte der Verschlußmechanismus komplett.
Was tun? ich fange mal mit dem hängenden Langzeitwerk an:
Die Edixa von unten. An das Langzeitenwerk kommt man gut heran, wenn man die Bodenplatte entfernt.
Die Belederung vom Stativanschluß entfernen und dann die markierten 5 Schrauben lösen.
Unter dem Stativanschluß kommen zwei weitere Schrauben zum Vorschein.
Bodenplatte abheben und auf den Rückspulknopf achten. Das Langzeitwerk ist rot markiert.
Zum Reinigen kann man ganz normales Feuerzeugbenzin und eine Spritze mit Kanüle benutzen.
Die beweglichen Teile mit Benzin spülen und das Werk dabei ständig bewegen. Der Schmutz löst sich und das Werk läuft wieder.
Gut auspusten und lüften lassen, dann mit minimalen Dosen Feinmechanik-Öl die Lager und Wellen ölen - soweit man herankommt.
Diese Wartungsmethode für das Langzeitenwerk ist bestimmt nicht sehr professionell, aber ich habe mehrere Edixas mit festhängenden langen Zeiten so behandelt - und sie laufen alle noch. Wichtig ist, dass man das Öl wirklich sparsam verwendet. Keine Kriechöle, keine Sprays und kein WD40!
Der schleichende Schlitzverschluß
Das oben erwähnte zweite Fehlerbild betrifft den Verschluß der Edixa selbst. Der Tuchschlitzverschluß ist eine Schwachstelle dieser Kameras, bei vielen Exemplaren macht der Ablauf des Verschlusses Probleme.
Auf dem abgebildeten Negativ kann man den Effekt eines ungleichmäßg ablaufenden Schlitzverschlusses gut erkennen. Normalerweise sollen sich beide Verschlußtücher mit der gleichen Geschwindigkeit - und mit gleichbleibender Geschwindigkeit - vor dem lichtempfindlichen Film bewegen. Wird eines der beiden Verschlußtücher auf seinem Weg abgebremst, wird das Bild ungleichmäßig belichtet. Hier war es das zweite Verschlußtuch, was ungleichmäßig ablief. Wenn Teile des Negativ gar nicht belichtet werden, deutet das darauf hin, dass das erste Verschlußtuch bremst oder stoppt - und dann von zweiten Tuch "eingeholt" wird.
Das Problem auch hier meistens: Die Öle und Schmierstoffe in der Mechanik sind nach 60 Jahren verharzt und fest geworden. Zusätzlich hat sich in all den Jahren durch Abrieb und Staub ein Schmutzbelag auf den beweglichen Teilen gebildet. Hiervon sind übrigens ganz besonders Kameras betroffen, die nicht viel benutzt worden sind. Das jahrelange Herumliegen im Schrank tut der Mechanik nicht unbedingt gut. Ich hatte eine Edixa Reflex-B, die äußerlich top aussah und auch innen sah man ihr an, dass sie kaum benutzt worden war. Diese "B" war einer der schwierigsten Fälle. Andererseits bekam ich eine Reflex-C geschenkt, der man den jahrelangen, intensiven Gebrauch deutlich ansehen konnte. Trotzdem lief sie nach ein bisschen Reinigung sofort perfekt. Eine Kamera, die regelmäßig benutzt worden ist, ist häufig fitter als ein reines Ausstellungsstück.
Um den Verschluß einer Edixa einer Generalüberholung zu unterziehen, muß man die Kamera komplett zerlegen und alle Einzelteile reinigen, fetten und neu justieren. Das lohnt sich bei den meisten Edixa-Gehäusen aber nicht. Meine kleine Anleitung ist ein "Quick-and-dirty"-Fix, der aber oft schon ausreicht, um den lahmenden Verschluß wieder flott zu bekommen.
An den Schlitzverschluß der Edixa kommt man gut heran, wenn man die Platte der Filmebene demontiert. Sie wird mit 4 Schrauben gehalten.
Wenn die Platte entfernt ist, kann man die einzelnen Komponenten des Verschlusses gut sehen, und die Funktion durch Spannen und Auslösen auf "B" gut beobachten.
Bei meiner Reflex-B haben sich die beiden Rollen, über die die Bänder für das 2. Tuch laufen, nicht mehr gedreht. Die Bänder rutschten über die Rollen - und das geht nur sehr langsam!
Ich habe beide Rollen mit ein wenig Feuerzeugbenzin gespült und gereinigt. Danach drehten sie sich wieder und das zweite Tuch flitzte so schnell wie das erste.
Auch die anderen beweglichen Rollen und Lager habe ich bei der Gelegenheit gereinigt und das Benzin mit kleinen Läppchen und Q-Tips wieder aufgefangen.
Nachdem das Benzin weggetrocknet war, habe ich die Lager und Rollen ganz vorsichtig mit minimalen Dosen Feinmechanik-Öl geschmiert. Die Rollen kann man vorsichtig mit dem Fingernagel auf ihren Achsen verschieben.
Auch hier gilt: Weniger ist mehr! Lieber die Prozedur ein paar mal wiederholen, als die komplette Kamera in Benzin oder Öl zu tränken. Man sollte auch versuchen, die Verschlußtücher nicht mit Benzin oder Öl zu durchfeuchten. Das Öl sehr sparsam verwenden, keine Kriechöle, keine Sprays und kein WD40! Der Schlitzverschluß ist eine Schwachstelle der Edixas. Es kann vorkommen, das selbst ein perfekt gewarteter und gereinigter Verschluß trotzdem bei den kurzen Belichtungszeiten ungleichmäßig belichtete Negative erzeugt. In diesem Fall sollte man sich besser nach einem anderen Gehäuse umsehen. Eine ungleichmäßig ablaufende 1/1000 Sek. ist bei den alten Edixas eigentlich die Regel und auf eine Konstruktionsschwäche zurückzuführen. Siehe hierzu auch die Anmerkungen von Klaus Eckard Riess.
Edixa Spiegeldämpfer erneuern
Um den Spiegeldämpfer der Edixa zu erneuern, montiert man am besten den Objektivanschluss und die Frontblende ab. Die 4 Schrauben dafür finden sich hinter dem Lederring.
Vorsicht beim Auseinandernehmen! Unter der Frontblende befinden sich keine Distanzstücke und es ist sehr wichtig, daß diese kleinen Scheibchen wieder genau dort hinkommen, wo sie waren. Die Scheiben regeln die Distanz vom Objektivanschluß zur Filmebene!
Der alte Spiegeldämpfer ist meist nur noch eine harte, krümelige Masse. Aus einem Stück Gummi habe ich eine passende "Ersatzbasis" für den Dämpfer aus speziellem Schaumstoff geschnitten.
Die Reste des alten Spiegeldämpfers vorsichtig mit Skalpell, Pinzette und Isopropanol entfernen und das Kameragehäuse von Materialkrümeln befreien.
Hier sieht man das neue Gummi-Fundament mit aufgeklebtem Dämpferstreifen schon eingeklebt. Ich habe für die Montage des Gummis gewöhnlichen Pattex-Flächenkleber benutzt, die Dämpferstreifen sind ja sowieso selbstklebend.
Jetzt die kleine Metallblende vor dem Dämpfer wieder anmontieren. Darauf achten, daß die Blende nicht falsch herum eingesetzt wird. Bei montierter Blende ist der "Gummisockel" des neuen Spiegeldämpfers nicht zu sehen.
Beim Wiedereinsetzen der Frontblende müssen die Distanzscheiben wieder and die Stelle, wo sie vorher waren. Damit sie fixiert sind, piekst man sie am besten mit 4 Zahstochern fest, die man in die Schraublöcher steckt.
Die Frontblende und der Objektivanschluss lassen sich vorsichtig über die Zahnstocher einfädeln. Dann kann man die Zahnstocher Stück für Stück durch die Schrauben ersetzen - so kann keine der Distanzscheiben verrutschen und ins Innere der Kamera fallen.
Vorsicht mit den Blitzkontakten!
Vorsicht beim Herausschrauben der Kontaktbuchsen! Die Kontaktfeder flippt beim Herausnehmen gegen das Gewinde und die Buchsen bekommen keinen Kontakt, wenn man sie einfach wieder eindreht.
Die Kontaktfeder muss während des Einschraubens der Buchsen genau in der Mitte sein. Das geht nur durch eine komplette Zerlegung der Kamera - oder mit diesem "minimal-invasiven" Trick.
Die Belederung der alten Edixas ist meist in einem schlechten Zustand. Die Kameras werden daher häufig mit einer neuen Belederung versehen, was ja durchaus Sinn macht. Hierbei ist es ratsam, die Buchsen für den Blitzanschluss NICHT herauszuschrauben, weil beim Herausnehmen der Buchse die Kontaktfeder dahinter gegen das Gewinde flippt. Man kann die Buchse dann zwar wieder hereindrehen, aber die Blitzkontakte funktionieren jetzt nicht mehr. Ist das Malheur erst einmal passiert, kann man mit einem Draht und viel Geduld die Kontaktlasche in der Mittenposition halten, während man die Buchse wieder einsetzt. Dazu muss man die Front der Kamera demontieren - siehe dazu auch den Abschnitt "Spiegeldämpfer erneuern".
Wer also eine Edixa mit erneuerter Belederung kauft, sollte vorsichtshalber testen, ob die Blitzsynchronisation noch funktioniert.
Edixa Reflex Reparaturanleitung
Für alle, die es ganz genau wissen wollen: eine Original-Reparaturanleitung zu den Edixa-Reflex-Kameras aus dem Hause Wirgin, Wiesbaden. Die Anleitung ist in deutscher Sprache und am Anfang des Dokumentes kann man sehr schön die Ausstattungsvarianten und Baujahre der Kameras mit den jeweiligen Seriennummern abgleichen.
-> Die Reparaturanleitung kann man hier als PDF-Dokument laden.
Infomaterial
Für alle, die sich für die alten Edixas interessieren - oder selber damit fotografieren, habe ich hier noch ein paar Infos und PDFs zusammengestellt. Mir sind einige alte Prospekte, Bedienungsanleitungen und Preislisten in die Hände gefallen, die ich eingescannt habe und nun hier online stelle.
TTL-Prismensucher Travemat
Zur Edixa gab es als teures Zubehör den Meß-Prismensucher Travemat von der Constantin Rauch KG / Geschäftsbereich Schacht, Ulm. Das Teil ist schwer zu finden, die meisten angebotenen Travemat-Sucher passen auf die Exa- oder Exakta-Kameras. Es gab von diesen Travemat-Suchern verschiedene Versionen, die sich in Details unterscheiden. Ich habe eine Bedienungsanleitung als PDF gefunden, in der die Meßmethodik ganz gut erklärt wird.
Der Travemat nutzt zur Belichtungsmessung einen CDS-Fotowiderstand, was für die damalige Zeit ziemlich modern war. Man kann z.B. die an der Kamera gewählte Belichtungszeit oben am Prisma einstellen und dann per Nachführmethode die dazu passende Blende ermitteln. Auf meiner "D" funktioniert das Meßprisma erstaunlich genau. Allerdings wird die Klarheit und Helligkeit des Sucherbildes durch das Meßprisma beeinträchtigt.
Edixa-Mat-Reflex Mod. D mit aufgesetztem TTL-Prismensucher Schacht Travemat.
Einstellscheiben des Travemat-Suchers. An der linken Seite befindet sich der Einschalter. Er muss auf "M" stehen, um das Gerät einzuschalten.
Der Meßsucher nutzt eine CDS-Zelle, die das Licht auf der Mattscheibe misst. Im Bild kann man sie gut erkennen.
Der Travemat wird mit einer PX625-Batterie angetrieben. Das Batteriefach ist nicht leicht zu finden, hier ist es halb geöffnet gezeigt.
Edixa-Links
Es gibt im Netz nicht wirklich viel über die alten Edixa-Spiegelreflexkameras. Ein paar gute Seiten mit interessanten Informationen kann man aber finden. Hier ein paar Linktips: